Im Oktober hat sich eine Mehrheit in der UN-Vollversammlung für Resolution L.41 ausgesprochen. Im März 2017 sollen Verhandlungen über ein Verbot von Atomwaffen im Rahmen der UN in New York starten.
Am 27. Oktober hat das Erste Komitee der Vollversammlung der Vereinten Nationen (Disarmament and International Security Committee) die wegweisende Resolution Taking forward multilateral disarmament negotiations mehrheitlich angenommen.
Die Resolution richtet eine UN-Konferenz in 2017 ein, auf der über ein „rechtlich bindendes Instrument zum Verbot von Nuklearwaffen“ verhandelt wird, das „zu deren vollständiger Abschaffung führen“ soll.
Diese Entscheidung ist ein Wegbereiter für die ersten multilateralen Verhandlungen über nukleare Abrüstung seit 20 Jahren, womit sie den Stillstand in der Genfer Abrüstungskonferenz (Conference on Disarmament, CD) umgeht. Die CD ist seit 1996, als der Umfassende Kernwaffenteststoppvertrag (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty, CTBT) beschlossen wurde, nicht mehr in der Lage gewesen, Abrüstungsverhandlungen zu initiieren.
Die mit Resolution L.41 beschlossene Konferenz wird vom 27.-31. März und vom 15. Juni bis 7. Juli im UN-Hauptquartier in New York stattfinden. Sie steht der Teilnahme aller UN-Mitgliedstaaten sowie internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft offen.
UN-Mitgliedstaaten sind geteilter Meinung
Bei der Abstimmung zeigte sich, dass die UN-Mitglieder nicht einheitlich hinter der Resolution stehen. 123 Staaten votierten für L.41, 38 dagegen und 16 enthielten sich. Mit Ausnahme Nordkoreas unterstützten nur Nicht-Atomwaffenstaaten die Idee einer Abrüstungskonferenz in 2017. Die restlichen Atomwaffenstaaten und diejenigen unter der erweiterten nuklearen Abschreckung (die NATO-Mitglieder, Japan, Südkorea und Australien) haben entweder dagegen gestimmt oder sich enthalten. Dies spiegelt ihren Unwillen wider, von der Idee der nuklearen Abschreckung abzulassen und einem umfassenden Verbotsvertrag beizutreten.
Damit zeigen sich auf der anderen Seite aber auch die zunehmenden Spannungen zwischen einzelnen Staaten, die in ihren Sicherheitsstrategien auf nukleare Abschreckung setzen, insbesondere in Nordostasien (Nordkorea vs. Japan und Südkorea), ebenso wie zwischen Russland und dem Westen (einschließlich der Konflikte über die Ukraine und Syrien). Siehe dazu auch den Artikel im Telegraph Mikhail Gorbachev warns world is at ‚dangerous point‘ amid US-Russian face off over Syria.
„Diese Spannungen haben sich auf die Überlegungen in New York übertragen“, sagt Alyn Ware, Global Coordinator bei PNND. „Die Atmosphäre in der UN-Generalversammlung war so aufgeheizt, wie ich sie in den fast 30 Jahren, in denen ich das Disarmament and International Security Committee der UN beobachte, noch nicht erlebt habe“.
Dennoch werden die Staaten, die sich weiterhin auf die nukleare Abschreckung verlassen, die Verhandlungen nicht blockieren können, ebenso wenig die Verabschiedung eines Verbotsvertrags. Die Konferenz in 2017 wird nach den formalen Regeln der UN-Vollversammlung ablaufen, die eine Abstimmung erlauben, anstatt nach den Regeln der CD, die einen Konsens verlangen. Die Mehrheit in der Vollversammlung im Oktober bedeutet mithin, dass es eine mehrheitliche Unterstützung für einen Verbotsvertrag im nächsten Jahr geben wird. Dieser wird ausschließlich für diejenigen Staaten gelten, die ihn unterzeichnen und ratifizieren.
Weitere UN-Resolutionen
Während des Ersten Komitees hat die UN eine Reihe weiterer Resolutionen angenommen. Darunter eine im Konsens angenommene Resolution zu einer Nuklearwaffenfreien Zone im Nahen Osten; eine Resolution, die dafür plädiert, Nuklearwaffen von der höchsten Alarmstufe zu nehmen, um das Risiko eines Einsatzes zu minimieren (174 dafür, vier dagegen und vier Enthaltungen); sowie eine Resolution zur Einrichtung einer UN High Level Conference on Nuclear Disarmament, die spätestens in 2018 stattfinden soll. Auf dieser High Level Conference soll vor allem die Idee einer Nuklearwaffenkonvention vorangetrieben werden. Damit gemeint ist ein Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen, der – anders als das Verbot, das mit L.41 anvisiert wird – die Nuklearwaffenstaaten, die NATO-Mitglieder und die Länder in der erweiterten nuklearen Abschreckung mit einbeziehen würde.
Zu den Unterstützern der Resolution über eine UN High Level Conference (143 stimmten dafür, 28 dagegen, 15 enthielten sich) zählen eine Reihe von Atomwaffenstaaten bzw. Staaten in der erweiterten Abschreckung (zum Beispiel China, Indien, Pakistan und Nordkorea). Die Konferenz und der Vorbereitungsprozess geben Gelegenheit dazu, den politischen Druck auf diejenigen Staaten zu erhöhen, die auf nukleare Abschreckung setzen, Abrüstungsmaßnahmen zu ergreifen. Im Moment hat die High Level Conference jedoch noch kein Verhandlungsmandat und keine Agenda.
Parlamentarische Aktivitäten
Parlamentarier weltweit und interparlamentarische Foren haben diese vier Initiativen tatkräftig unterstützt, ebenso wie die Vorbereitungen auf den Überprüfungsprozess zum Nichtverbreitungsvertrag (NVV), der in 2017 wieder anlaufen wird. Vom 3. bis 14. April werden dann die Vertragsparteien des NVV in Wien zusammenkommen.
Die Interparlamentarische Union (IPU), die Mitglieder in 170 Parlamenten und in fast allen Nuklearwaffenstaaten/NATO-Ländern hat, verabschiedete in 2014 eine Resolution, die für eine Nuklearwaffenfreie Zone im Nahen Osten und für Verhandlungen über eine Nuklearwaffenkonvention oder alternativ über ein Bündel an Vereinbarungen plädiert.
Im vergangenen Juli verabschiedete die Parlamentarische Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die sogenannte Tbilisi Declaration, die empfiehlt, die Nuklearwaffen-Systeme von der höchsten Alarmstufe zu nehmen und stattdessen No-First-Use-Strategien (Verzicht auf den Ersteinsatz) zu implementieren. Ebenso fordert sie Unterstützung für multilaterale Abrüstungs-Verhandlungen in 2017 und für die UN High Level Conference.
Die Tbilisi Declaration wurde von allen OSZE-Parlamenten befürwortet, auch von Frankreich, Russland, Großbritannien, den USA, den ehemaligen Sowjet-Staaten, den NATO-Staaten und anderen europäischen Parlamenten. Siehe weiterführend auch den Beitrag OSCE Parliamentary Assembly calls for nuclear weapons stand-down auf der PNND-Website.
Ebenso hat Ende Oktober das Parlament der Europäischen Union eine Resolution verabschiedet, in der die nuklear bewaffneten Staaten dazu aufgerufen werden, alle Typen von Nuklearwaffen, die sich in ihren Arsenalen befinden, zu reduzieren, deren Wichtigkeit in den Militärdoktrinen zu verringern, ihre Einsatzbereitschaft herabzusetzen und sie physisch von den vorderen Dislozierungspunkten in zentrale Lager zurückzuziehen. Die Resolution begrüßt auch den Vorschlag, in 2017 eine UN-Konferenz abzuhalten, um über ein rechtlich bindendes Instrument zum Verbot von Atomwaffen zu verhandeln. Siehe auch MEPs sound wake-up call on nuclear threats.
Parlamentarier in vielen Ländern – einschließlich in Ländern wie Norwegen, den Niederlanden und Japan – haben für den Entwurf der UN-Resolution L.41 geworben. (siehe auch Norway and Japan parliaments – on a ban, the pledge and the role of nukes, Japan ccross-party legislators’ letter to Foreign Minister Kuchida and Japan Democratic Party appeal on the ban treaty resolution). Höchstwahrscheinlich werden diese parlamentarischen Gruppen weiterhin auf ihre Regierungen einwirken, mit dem Ziel, dass diese an den UN-Verhandlungen teilnehmen, auch wenn sie die Resolution formal nicht unterstützt haben.
PNND wird weiterhin den Verbotsprozess beobachten und darüber berichten, ebenso wie über den Nichtverbreitungsvertrag, das Thema Nuklearwaffenfreie Zone im Nahen Osten und die UN High Level Conference. Wir unterstützen nach Kräften alle Parlamentarier, die an einer Zusammenarbeit interessiert sind.
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